EMAF-Ausstellung: Bürger als EU-Grenzschützer?
http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/567614/emaf-ausstellung-burger-als-eu-grenzschutzer
EMAF-Ausstellung: Bürger als EU-Grenzschützer?
Aktuelle Medienkunst in der Kunsthalle Osnabrück: Das European Media Art Festival eröffnet am 22. April 2015 mit seiner Ausstellung. Foto: Michael GründelAktuelle Medienkunst in der Kunsthalle Osnabrück: Das European Media Art Festival eröffnet am 22. April 2015 mit seiner Ausstellung. Foto: Michael Gründel
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EMAF-Ausstellung: Bürger als EU-Grenzschützer?
Aktuelle Medienkunst in der Kunsthalle Osnabrück: Das European Media Art Festival eröffnet am 22. April 2015 mit seiner Ausstellung. Foto: Michael GründelAktuelle Medienkunst in der Kunsthalle Osnabrück: Das European Media Art Festival eröffnet am 22. April 2015 mit seiner Ausstellung. Foto: Michael Gründel
Osnabrück. „Ironie“ lautet das Motto des European Media Art Festival (EMAF) 2015 in Osnabrück. Die EMAF-Ausstellung bietet vor allem aber bissige Zeitkritik.
Die katholische Kirche castet Jesus-Darsteller, imitierte Besitzpapiere garantieren ein Stück des auf den Kaiman-Inseln geparkten Turbo-Reichtums, im heimeligen Wohnwagen läuft das Teleshopping: Die in der Ausstellung des EMAF versammelten Künstlerinnen und Künstler persiflieren, kommentieren, camouflieren eine Welt, die sie vor allem als Bündel aus Fehlentwicklungen, Werteverlust und Ausbeutung sehen. Dabei zielen Künstler nicht direkt auf die Problemlagen, sondern artikulieren ihre Kritik auf indirektem Weg – auch über verdeckte Mitmachangebote.
Was plant das EMAF 2015? Lesen Sie hier den Bericht von der Pressekonferenz.
Wie das besonders wirkungsvoll zu bewerkstelligen ist, demonstriert Georg Klein mit seiner im „Kunstquartier“ des Bundes Bildender Künstler installierten Zentrale der fiktiven „European Border Watch Organisation“. Ziel des Büros sei es, Bürger für den Schutz der EU-Grenzen zu animieren, erzählt Klein mit ernster Stimme. Nur das unsinnig überdrehte Ambiente seines mit grünen Folien verklebten „Büros“, in das Videoschirme Bilder von Grenzen in Libyen, Mexiko und den Karpaten übertragen, zeigt, dass es hier nicht um ein ernst gemeintes Angebot geht. Bittere Pointe dieser ironischen Installation: Die ersten Interessenten für eine Mitarbeit bei der Überwachung der Grenzen durch die EU-Bürger selbst haben sich schon gemeldet.
Im Innenhof der Kunsthalle stehen jetzt zwei Wohnwagen. Was hat es mit ihnen auf sich? Lesen Sie hier den Bericht vom Aufbau.
Kritik geht im großen Medienrauschen für gewöhnlich unter. Auf dieses Dilemma jedes Einspruches gegen Missstände reagieren Künstler mit ironischer Anpassung. Videostar Phil Collins lässt über Bildschirme in zwei Wohnwagen ein Teleshopping-Programm laufen. Ironischer Umschlagpunkt: Das Programm ist mit Schauspielern eigens inszeniert, die Zuschauer sitzen einer überdrehten Kopie auf und sehen sich veranlasst, ihre Sicht auf Medien zu überdenken. Ähnlich bissig verfährt Christian Falsnaes, der die Ausstellungsbesucher mit skurrilen Mitmach-Aufforderungen tracktiert und damit den Hype dirigistischer Shows und Animationen persifliert. Ätzend auch die Ironie in der großen Videoarbeit von Christian Jankowski. Auf zwei, in der Apsis des Kirchenraums der Kunsthalle Osnabrück montierten Bildschirmen, stellen Darsteller ein Casting der katholischen Kirche nach. Die Würdenträger suchen den idealen Jesus-Darsteller und passen ihre Erwartungen dabei komplett den Erwartungen des Show Business an.
Künstler bringen ihre Zeitkritik immer häufiger in nachgeahmten Mitmachangeboten unter. So auch Florian Mehnert, der im Netz eine Ratte zum Abschuss freigab. Hier der Bericht zum umstrittenen Kunstwerk.
Auch wenn die Ausstellung des EMAF in manchem weniger spektakulär ausfällt, als viele ihrer Vorgänger – die Präsentation bietet viele Beiträge, die Medienkunst als Forum bissiger Zeitkritik vorführt. Darin schließt die Ausstellung durchaus überzeugend an die Präsentation aus dem letzten Jahr zum Thema Überwachung an. Wie leise ironisch und zugleich treffend eine Kunstinstallation sein kann, zeigt das höchste Exponat. Bastian Hoffmann hat aus Obstkisten eine zwölf Meter hohen Turm gefügt. Mehrere, durch ein Computerprogramm gesteuerte Seilzüge lassen den Turm immer wieder merklich schwanken. Der Titel dieser Plastik, die ironisch den Zustand Europas beschreibt: „Eden was never so close“.
Info: www.emaf.de
Ein Artikel von Dr. Stefan Lüddemann