MONTAG, 21.09.2015 Wenn die Kunst aus dem Container kommt
Ein Jahr lang hat die Galerie Genscher Ausstellungen in einem Container bei Planten un Blomen gezeigt. Nun müssen die Betreiber einen neuen Standort suchen.
Ein Jahr lang hat die Galerie Genscher Ausstellungen in einem Container bei Planten un Blomen gezeigt. Nun müssen die Betreiber einen neuen Standort suchen.
In der Hafenstadt Hamburg gehört der Schiffscontainer zu den beliebtesten Transportmitteln. Aber nicht nur DVD-Player, Klamotten oder Schnaps finden darin Platz. Die Galerie Genscher nutzt seit einem Jahr Container, um Kunst zum Publikum zu bringen. Seit September 2014 standen sie am Millerntorplatz, an der Südseite von Planten un Blomen. Darin fanden regelmäßig Ausstellungen statt, die gemeinschaftlich von den Künstler/innen und Kuratoren/innen Franzeska Leoni, Leyla Rodriguez, Michael Heering, Christian Kleffner und Rosa Windt organisiert wurden. Nun geht die Galerie aber wieder auf Reisen.
Obdachlos wegen einer Sanierung
Dass die Container an ihrem bisherigen Ort stehen durften, war unglücklichen Umständen und einer glücklichen Fügung geschuldet. Denn das in der Marktstraße befindliche Gebäude, in dem sich die Räume der Galerie Genscher befanden, sollte saniert werden. Im Jahr 2012 mussten die Betreiber ausziehen. „Wir waren dann erstmal mit der Initiative obdachlos“, sagt Mitgründer Michael Heering. „Unser Wirkungsgebiet ist das Karolinenviertel. Das ist uns auch sehr wichtig, dass wir hier künstlerisch aktiv sind mit diesem Kunstverein.“ Doch eine passende Alternative konnte die steg (Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH) nicht bieten.
Die Kurator/Innen und Künstler/Innen wichen zunächst auf verschiedene Räume aus — auf einem leerstehenden Baugrundstück wurde sogar ein Freilichtkino eingerichtet. Die ständige Suche nach Orten, zusätzlich zur Bestückung des Programms, stellte auf Dauer jedoch einen nicht leistbaren Aufwand für die ehrenamtlichen Betreiber dar. Zufällig entdeckten sie die für ihre Zwecke perfekten Container und machten sich auf die Suche nach einem geigneten Standort.
„Wir haben überlegt, dass es vielleicht auch im Park gehen würde“, sagt Heering. „Die Verantwortlichen fanden das auch sehr interessant.“ Planten un Blomen wird allerdings schon um 23 Uhr geschlossen, im Winter sogar noch früher. Die Fläche nahe der U-Bahnstation St. Pauli stellte sich als optimale Lösung heraus. Eigentlich ist diese Fläche nicht für eine öffentliche Nutzung vorgesehen. Doch da die Galerie Genscher ein gemeinnütziger Verein ist und es keine Ausweichfläche gab, hatten die Kunstfreunde Erfolg.
In den vergangenen zwölf Monaten folgten zahlreiche Ausstellungen, Lesungen, Diskussionen und andere Veranstaltungen. Die Reaktionen der Passanten waren dabei durchweg sehr positiv. „Auch von der Kulturbehörde weiß ich, dass das Programm sehr gut angenommen wurde“, sagt Heering. Die Container galten als „gegenwärtig spannendsten Kunstort in Hamburg“.
Vor allem haben die Container Menschen zur Kunst gebracht, die sonst wohl nicht unbedingt in eine Kunstausstellung gehen würden. „Als Publikum hatten wir auch Kiezgänger, lustige Biertrinker, die Party machen wollen“, sagt Kleffner. „Die sind da auch reinstolziert. Das fand ich spannend an dem Ort, dass man nicht nur einen Kunstklüngel hat, sondern auch Leute erreichen kann, die fast gar nichts damit am Hut haben.“
Bei manchen Ausstellungen kam es dann auch zu skurrilen Momenten. „Es gab auch mal eine Gruppe von Macho-Burschen, die sich eine Performance von französischen Feministinnen angeschaut hat, in der es um Gender-Fragen ging“, sagt Kleffner. „Es war lustig, dass ausgerechnet die Burschen auf dem Kiez rumlaufen und sonst woanders nackte Frauen sehen, und dann bei uns im Schaufenster in einem ganz anderen Kontext. Das war toll, dieses Bild.“
Die Räume in der Marktstraße sind mittlerweile saniert – allerdings sind sie schwer zu gebrauchen. Für viele Künstler kommt eine Nutzung so nicht in Frage. Dort soll daher zunächst der Aspekt der Nachbarschaftsarbeit weiter ausgebaut und ein Programm entwickelt werden, das dem Standort im Karoviertel gerecht wird. Die Container sollen in Hamburg auf jeden Fall als Galerie Genscher weiter existieren.
Die Kuratoren/innen hoffen, dass sie ab nächstem Jahr einen Ort finden, an dem sie die Container mehrere Jahre stehen lassen können. Vielleicht sogar am Millerntorplatz. „Wir sind Planten un Blomen dankbar. Und es ist selbstverständlich, dass die Container zum Ablauf der Aufstellungsgenehmigung nun entfernt werden. Wir würden uns natürlich freuen, wenn es möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt am Millerntorplatz eine Fortsetzung des Projektes geben könnte.“
http://st.pauli-news.de/SCHLAGLICHT/WENN-DIE-KUNST-AUS-DEM-CONTAINER-KOMMT/